DER WECHSEL
Die Türkische Republik
Am 29. Oktober 1923 wurde die
Türkische Republik ausgerufen, um das Land in eine Demokratie im
modernen Sinne zu verwandeln. Mustafa Kemal, der große, charismatische
Staatsmann, der den nationalen Unabhängigkeitskrieg so erfolgreich
anführte,
wurde einstimmig zum ersten Präsidenten der Türkischen Republik
gewählt. Vier Monate später wurde das Kalifat abgeschafft, da es
mit den Prinzipien einer Republik unvereinbar war. Die Mitglieder der
Osmanischen Dynastie wurden am 3. März 1924 expatriiert.
Im dem Bewußtsein, daß die Trennung
von Staat und Religion, sowie Religionsfreiheit und die Freiheit
des Individuums zu den Grundvoraussetzungen der Schaffung einer modernen
Gesellschaft gehören, rief Mustafa Kemal im Rahmen des „Prinzips
des Säkularismus“ die wichtigsten Veränderungen ins Leben. Nach der
Abschaffung des Kalifats hat man eine Reihe radikaler Reformen in
den Institutionen und Einstellungen, die eng mit dem Kalifat verknüpft
waren, durchgeführt. Das Ministerium für Scharia und fromme Stiftungen
wurde durch den Vorsitz für Religiöse Angelegenheiten und das Direktorat
für Stiftungen ersetzt, die beide dem Ministerpräsidenten unterstellt
wurden. Am 8. März 1924 wurde das religiöse Schulsystem abgeschafft.
Mit dem Gesetz zur Vereinheitlichung des Bildungswesens wurden alle
Schulen und Bildungsangelegenheiten dem Erziehungsministerium unterstellt.
Die Scharia-Gerichte wurden durch säkulare Gerichte ersetzt. Traditionelle
Kleidungssymbole, die auf den Unterschied in der Klasse, dem Rang
oder der religiösen Ordnung hinwiesen, wurden untersagt. Das internationale
Zeit- und Kalendersystem wurde am 26. November 1925 übernommen.
Am 17. Februar 1926 wurde das Türkische Bürgerliche Gesetzbuch anstelle
des alten bürgerlichen Gesetzbuches und der Scharia, die beide die
Pfeiler des osmanischen Rechts bildeten, akzeptiert. Die Annahme
des Türkischen Bürgerlichen Gesetzbuches, machte es notwendig, die
ganze Gesetzgebung einer Säkularisierung zu unterziehen. Auch das
Obligationenrecht, das Strafrecht und das Handelsrecht wurden entsprechend
moderner Prinzipien neu verfaßt.
Wichtige Schritte wurden auch
in Bezug auf die Frauenrechte unternommen. Polygamie wurde verboten.
Eheschließungen mußten, um staatlich anerkannt zu sein, gemäß des
Zivilrechtes geschlossen werden, und nicht wie früher gemäß religiöser
Zeremonien. 1930 erhielten Frauen bei Kommunalwahlen das passive
und aktive Wahlrecht, 1933 bei Wahlen für Gemeinderäte und 1934 erhielten
sie das aktive und passive Wahlrecht für das türkische Parlament.
Eine der wichtigsten Reformen
Atatürks war die Ausarbeitung eines neuen türkischen Alphabets durch
einen Ausschuß von Linguisten und Akademikern. Am 1. November 1928
wurde das Gesetz, das die Verwendung von lateinischen Buchstaben
vorsah, vom türkischen Parlament angenommen. Die Annahme dieses neuen
Alphabets war ein wichtiger Schritt zur Erhöhung der Alphabetisierungsrate,
die bis dahin extrem niedrig war.
Politische Parteien und das
Wahlsystem
Gemäß der Verfassung hat jeder
türkische Bürger ab dem Alter von 18 Jahren das Recht, eine politische
Partei zu gründen, sich einer politischen Partei anzuschließen oder
eine politische Partei zu verlassen.
Die politischen Parteien sind
das wesentliche Element eines pluralistischen und partizipatorischen
politischen Lebens. Sie werden ohne vorherige Erlaubnis gebildet.
Gegenwärtig gibt es 20 politische Parteien in der Türkei. Fünf Parteien
sind nach dem Ergebnis der letzten Parlamentswahlen vom 18. April
1999 berechtigt, in der Großen Nationalversammlung der Türkei repräsentiert
zu sein. Diese sind:
- Die Demokratische Linkspartei
mit 146 Sitzen
- Die Partei der Nationalen
Bewegung mit 129 Sitzen
- Die Tugendpartei mit 111
Sitzen
- Die Mutterlandspartei
mit 86 Sitzen
- Die Partei des Rechten
Weges mit 85 Sitzen
Zusätzlich zu den Mitgliedern
der politischen Parteien haben auch zum erstenmal unabhängige Kandidaten
drei Sitze im Parlament errungen. Die vorherigen Wahlen fanden 1995
statt.
Die Aktivitäten der politischen
Parteien müssen in Übereinstimmung mit den internationalen Parteistatuten
und den Prinzipien der Demokratie stattfinden.
Die Wahlen in der Türkei sind
Einstufen-Wahlen. Gemäß des Verhältniswahlsystems finden überall
im Land am selben Tag allgemeine, freie und geheime Wahlen statt.
Der Wähler genießt volle Freiheit. Die Auszählung und detaillierte
Übergabe der Stimmen sowie ihre Beurkundung geschieht öffentlich.
Um in das Parlament zu gelangen,
muß die 10%-Hürde überschritten werden. Die Parteien, die nicht
mindestens 10% der Stimmen im ganzen Land in den Hauptwahlen sowie
die Parteien, die nicht mindestens 10% der Stimmen in den Regionen,
in denen Nachwahlen stattfinden, erlangen, erhalten keinen Abgeordneten.
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